Verschlusssache(n) – Unser neuer Kunde Fidlock im Interview

Der Geschäftsführer von Fidlock Joachim Fiedler

Zum Interview kommt Joachim Fiedler, Chef von Fidlock, mit dem Fahrrad und einem weißen Cellokasten auf dem Rücken in die neue Unternehmenszentrale in der Kirchhorster Straße 39 in Hannover Lahe. Kurz nach dem Umzug Anfang März traf die Coronakrise auch Fidlock, die Hälfte der Mitarbeiter ist im Home Office, in der Zentrale stehen noch die unausgepackten Umzugskisten.

Fidlock stellt Magnetverschlüsse her. Sie werden in Rucksäcken, Schuhen und Helmen verbaut. Zu den bekanntesten Kunden gehören Nike, Jack Wolfskin und Abus.

Herr Fiedler, Sie spenden 3.000 Hermetic Dry Bags, wasserdichte Kunststofftaschen in denen man Handy und Tablet schützen kann, an medizinische Institutionen. Wie sind Sie auf die Idee mit der Spendenaktion gekommen?

Ende letzten Jahres haben wir einen Lizenzvertrag mit Gooper Hermetic aus Israel geschlossen. Die Verschluss-Philosophie meines Freundes Philip Naftali, dem CEO von Gooper, passt gut zu uns. Die Zusammenarbeit bietet uns neue Produktfelder, zum Beispiel können wir die Gooper-Magnete in Kleidungsstücke einnähen. Die Dry Bags zielten ursprünglich auf den Outdoor-Markt. Aber so weit kamen wir gar nicht, denn die Corona-Krise funkte uns dazwischen. Im März musste Philips Frau ins Krankenhaus, nicht wegen Corona. Dort sah Philip, wie das medizinische Personal seine Smartphones und Tablets zum Schutz vor Viren und Keimen in Gefrierbeutel packte. Das können wir besser, dachte er und spendete Hermetic Dry Bags für medizinisches Personal in ganz Israel. Sie rissen ihm die Taschen quasi aus den Händen. Das israelische Gesundheitsministerium bezeichnete es als eine der innovativsten Schutzmöglichkeiten im Kampf gegen Corona.

Gespendete Dry Bags für israelische Krankenhäuser

Was genau haben Sie jetzt vor?

Naja, wir müssen Masken tragen, Abstand halten und uns oft die Hände waschen. Unsere Smartphones sind aber echte Viren- und Bakterienschleudern. Mit den Bags können wir diese Gefahrenquelle ausschalten. Denn nach der Devise „Wasch deine Hände, wasch dein Handy“ kann man die Tasche regelmäßig waschen und desinfizieren, ohne das Gerät herausnehmen zu müssen. Wir stellen weltweit 3.000 Dry Bags für medizinische Institutionen zur Verfügung. Wir haben gerade mit der Aktion angefangen, die MHH testet aktuell und das RKI hat unser Angebot an die Krisenstäbe der Länder weitergeleitet. Bei einem Verkaufspreis von 30 Euro pro Tasche macht unser Spendenvolumen immerhin 90.000 Euro aus – für einen Mittelständler ist das schon ein ordentlicher Betrag. Andere Firmen produzieren in der Not Masken oder Beatmungsgeräte, wir bieten die Taschen. Nach Corona wollen wir dann tatsächlich mit den Bags vertrieblich in den medizinischen Bereich. Es gibt schließlich auch noch andere Viren und Bakterien, die sich auf Handy- und I-Pad-Oberflächen wohl fühlen. Und natürlich wollen wir auch irgendwann damit Geld verdienen.

Wie kamen Sie denn überhaupt auf Israel?

Das war schon immer eine spannende Sache für mich. Mein Vater ist 96, war noch im Krieg Soldat und das hat sein Leben geprägt. Ich war mit 18 mit dem Bundesjugendorchester in Israel, unter anderem der Besuch in der Gedenkstätte Yad Vashem ist mir immer im Gedächtnis geblieben. Seitdem hatte ich immer wieder – beruflich und privat – mit israelischen Künstlern oder Unternehmern zu tun und habe mich gefragt, wie können ehemalige Nachkommen der Täter und Opfer als Musiker oder Unternehmer zusammenarbeiten?

Die Musik kann da eine Brücke sein.

Exakt. Ich habe ja auch bei den Berliner Philharmonikern gespielt. Dort sind höchstens die Hälfte der Musiker Deutsche, und es ist völlig egal, ob Sie schwarz oder weiß sind. Da zählt nur, wie man spielt und wie man sich benimmt.

Musik spielt in ihrem Leben eine große Rolle und eigentlich ist sie auch die Wurzel für ihr späteres Unternehmertum. Wo kommt dieses Gen her?

Meine Eltern wären in Friedenszeiten gerne Musiker geworden, es war aber kein Frieden. Mein Vater hat seine Geige über den Krieg gerettet, meine Mutter kam aus einem Musiklehrer-Haushalt und wäre gerne Opernsängerin geworden, das hat nun ihre Tochter, meine Schwester, geschafft. Familie Fiedler hat schon immer gesungen und musiziert, und da mein Vater Baptist ist, sind wir früher durch die Baptistenkapellen gewandert.

Ich habe nach dem Abitur Cello studiert, und mich hat immer diese lästige Cellobogen-Halterung genervt. Also habe ich eine magnetische erfunden, dazu ein multifunktionales Sitzkissen für den Musiker und einen Tragegurt. Das war dann mein erstes Patent.

Fiedler, steht auf, öffnet den Cellokasten, zeigt den Verschluss und den Tragegurt, setzt sich auf das Kissen und spielt ein kurzes Stück auf dem Instrument.

Also nicht nur Musiker, sondern auch Erfinder. Und wie kamen Sie auf die Idee mit den Patenten, das ist ja keineswegs selbstverständlich.

Ich habe schon immer gerne gebastelt und experimentiert, immer geisterten Ideen in meinem Kopf. Meine Schwestern erzählen noch heute, dass ich als Junge einen Mähdrescher gezeichnet habe, der vorne das Korn drischt, und hinten kamen die Marmeladenbrote raus.

Beim Abitur hatte ich drei Berufswünsche: Geigenbauer – ich hatte auch schon angefangen, Holzschnecken zu schnitzen für die Aufnahmeprüfung an der Geigenbauerschule. Atomphysiker – ich hatte freiwillig Physik als Leistungskurs zusätzlich belegt und abends im Bett Weizsäcker und Heisenberg gelesen. Ich beschäftige mich heute noch mit Dingen wie Reaktordesign. Der dritte Wunsch war Cellist – ich bekam einen Platz in der Klasse von zwölf Schülern des weltbekannten Cellisten David Geringas. In Berlin studierte ich dann zu Ende, arbeitete als Musiker-Aushilfe bei den Berliner Philharmonikern und bin mit mehreren Orchestern um die Welt getourt.

Aber Sie wurden dann doch Erfinder?

Meine Kollegen von damals sind heute Cellisten in Rundfunkorchestern, Professoren oder Solo-Cellisten. Ich bin einer der ganz wenigen, die quer schlugen. Der Cellobogenverschluss ließ mich nicht los. Ich dachte, ich wäre der erste, der einen verpolbaren Verschluss gemacht hatte. Aber es gab schon Glühlampen und Kühlschranktüren damit. Dann habe ich aber ein sehr wichtiges Feature gefunden, das die zweite Patentanmeldung nach dem Patent für den Tragegurt des Cellos war.

Nochmal, warum Patente?

Weil ich anfangs einen in diesem Technikbereich nicht ganz optimal passenden Patentanwalt hatte, habe ich schließlich die ersten Patente selbst geschrieben (heute habe ich einen , der die Patente besser kennt als ich). Das brachte mich dazu, mich mit allen Patenten zum Thema „Magnetverschlüsse“ zu beschäftigen. Es dauerte drei Wochen von morgens bis abends, dann war mir klar, das will ich machen, und so wurde dann später aus dem Verschluss für den Cellobogen ein Schulranzen-Verschluss.

Patente sind nicht nur dazu da, um sich Rechte zu sichern. Sie zwingen einen auch dazu, sich intensiv mit der Materie zu beschäftigen und systematisch vorzugehen, Merkmale zu definieren, zu variieren und neu zusammenzuwürfeln. Auf einmal entsteht etwas, was man vorher gar nicht im Kopf hatte. So kommt man zu neuen Erfindungen. Das kann ich nur jedem empfehlen.

Es ist sicherlich eine der Grundlagen für den Erfolg von Fidlock. Einer unserer Geschäftsbereiche sind heute Lizenzen, dazu brauchen Sie Patente. Das Abschreckungspotential ist jetzt gigantisch. Wenn jemand einen Patentverschluss machen möchte, muss er viele tausend Seiten von Fidlock lesen, um zu wissen, ob er ein Patent verletzt.

Natürlich waren die ersten Patente von mir, aber jetzt haben wir eine außergewöhnlich große Entwicklungsabteilung, fast ein Drittel der Mannschaft unserer 55 Mitarbeiter. Die DNA ist übergegangen, meine Mitarbeiter entwickeln Patente, das ist schön so. Wir melden jetzt jedes Jahr mehr davon an.

Wie kamen Sie eigentlich nach Hannover?

Meine Mutter ist in Göttingen aufgewachsen, mein Vater stammt aus Landsberg an der Warthe (Polen) und ist nach dem Krieg nach Hessen gegangen. Ich bin in Kassel aufgewachsen und war dann 20 Jahre in Berlin.

Die Finanzkrise hat mich nach Hannover gespült, denn 2007 hatte ich die erste Finanzierungsrunde gemacht und dachte, ich käme mit 600.000 Euro aus. Das Geld war aber viel zu schnell aufgebraucht. Also habe ich überall vorgetanzt.

Wolfgang Lubert von Enjoy Venture managte damals (und heute) den Hannover Beteiligungs Fonds und bot mir die Finanzierung an, dazu musste ich aber nach Hannover kommen. So geschah es, sehr zum Leidwesen meiner Frau, die als Architektin heute noch Berlin vermisst. Heute leben wir hier mit unseren beiden Kindern (5 und 11) und genießen die Vorzüge von Hannover wie zum Beispiel den Knabenchor Hannover und die Eilenriede. Fidlock zog mit damals fünf Mitarbeitern in einen Hinterhof in der Prinzenstrasse, es folgte Dragonerstrasse, Hindenburgviertel und jetzt hier in Hannover Lahe das vierte Domizil.

Die neue Firmenzentrale in Hannover-Lahe

Warum eigentlich der Umzug und warum in dieses Gebäude? Hier residierte früher der Energieversorger Eveen und davor die norddeutsche Zentrale der Neuapostolischen Kirche.

Richtig. Der Grund war die Tiefgarage.

Wie das?

Im Zooviertel waren wir gut untergebracht. Aber Fidlock wuchs schnell, 2018 waren wir 40 Mitarbeiter, 2019 schon 50, heute sind wir um die 60, es wurde zu eng. Und wir brauchen neben freundlichen und offenen Büroflächenund Werkstätten viel Lagerraum. Den haben wir hier in der Tiefgarage gefunden, die den Ausschlag gab. Da die meisten von uns sowieso mit dem Fahrrad kommen, brauchten wir kaum Stellfläche für Autos.

Wo produzieren Sie eigentlich?

Magnetverschlüsse und die wasserdichten Dry Bags werden in China produziert. Das liegt daran, dass dort unsere Hauptabnehmer, die Taschen- und Schuhfabriken sitzen. Selbst wenn wir es hier zum gleichen Preis produzieren könnten, würden wir es logistisch nicht schaffen, die Produkte dort schnell genug hinzutransportieren. Da wir viel nach Kundenwunsch fertigen müssen produzieren wir auch dort, wo unser Kunde seine Produktion hat.

Im Übrigen macht Fidlock ohnehin nur noch etwa 30 Prozent des Umsatzes in Deutschland. China und Amerika sind große Märkte für uns, aber auch Chile und Thailand, insgesamt haben wir 55 Distributoren und Vertriebspartner in 36 Ländern. Die Verbindung nach China ist schon älter. 2008 verschlug es mich dorthin, und ich fand auf Empfehlung eines guten Freundes einen Ingenieur, der sich fast zeitgleich mit mir selbständig machte und mit dem wir gemeinsam wachsen konnten. Anfang dieses Jahres haben wir unsere Handelstochter Fidlock China gegründet. Leider konnte ich mir unsere neue Niederlassung aufgrund der aktuellen Reisebeschränkungen noch nicht ansehen.

Fidlock V-Buckle Verschluss

Eine letzte Frage: Wenn Sie nicht über Verschlüsse nachdenken, spielen Sie dann Cello?

Im Moment leider eher weniger. Ich denke sehr viel über das Klima nach. Es ist ja gerade eine Zeit, in der wir sehr auf Wissenschaftler hören. Schauen Sie dort den blauen Himmel ohne Kondensstreifen. Alleine die Abwesenheit der Schwefelemissionen in der Höhe führt dazu, dass sich die Temperatur möglicherweise um bis zu ein Grad erhöhen kann. Das Global Dimming, der ständige künstliche Vulkanausbruch, den wir eben mal abgeschaltet haben, führt dazu. Einerseits muss ich ein Wirtschaftsunternehmen führen und wir brauchen Plastik und Neodym für unsere Produktion; und wir müssen fliegen. Andererseits treibt mich die Frage: Wie kann ich das alles klimafreundlicher gestalten? Dazu haben wir eine Task Force gegründet und lassen uns von Atmosfair beraten. Der Chef ist ein Chorfreund von mir.

Weitere Infos zu Fidlock finden sie auf der Website

Aron Gal (das Interview führte Thorsten Windus-Dörr für eine Pressemappe/Press-Kit von Fidlock)

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