Mit Flip-Flops ins Büro? Modekulturrevolution im Job

Der Schauspieler Lars Eidinger besuchte die Eröffnungspremiere der Salzburger Festspiele Ende Juli in kurzen Hosen. Bei den Bayreuther Festspielen wurden jetzt jede Menge kurzbehoste Herren gesichtet. Und bei den Damen dominierten Sandalen, die man schnell mal am Platz unauffällig ausziehen kann. Diese „Kulturrevolution“ hat im Büro schon länger angefangen.

Felipe VI., der König von Spanien, lässt neuerdings Krawatte und Anzug weg und Bundeskanzler Olaf Scholz wandert mit Baseball-Kappe und Shorts durch das Allgäu. Und der mächtigste Mann der Welt, US-Präsident Joe Biden, wurde unlängst in Radsportbekleidung gesichtet. Ich selber trage im Büro immer öfter T-Shirts und Schuhe ohne Strümpfe, vor zehn Jahren undenkbar. Und ich sehe immer öfter Kollegen in kurzen Hosen ins Office eilen; und ich rede nicht von Startups!

Hitzewellen, Klimawandel, zwei Jahre Corona, das hat einiges verändert. Vor drei Jahren verlangten die Modezaren noch: Röcke, Kleider, nichts Durchsichtiges, lange Hosen. Und Flip-Flops im Büro? Undenkbar.

Geht die Kontrolle über das Leben verloren?

„Zugeknöpfte Sakkoträger in einem mittels fossiler Rohstoffe runtergekühlten Glaskasten in einer flächenvesiegelten City“, sei jahrzehntelang das Ideal gewesen, las man kürzlich im Zeit-Magazin. Aber im Lockdown und Homeoffice haben die Menschen zwei Jahre lang bequeme Kleider getragen, darauf wollen sie nun nicht mehr verzichten. Und so sieht man immer öfter Shorts, Jogginghosen und Spagettiträger. Das sind dann aber die schickere Version, eine Kollegin präsentierte auf LinkedIn neulich ihre eleganten kurzen Hosen, die sie im Büro trägt. Dazu eine weiße Bluse. Passt. Es ist keineswegs so, dass dadurch die Kontrolle über das Leben verloren geht (frei nach Karl Lagerfeld).

Und wir bei Eins A? Bei uns gibt es das schon länger. 2013 war schon ein heißer Sommer, da fragte mich unsere damalige Praktikantin, ob sie Hotpants im Büro tragen dürfe; die waren damals gerade wieder Mode geworden. Ich dachte damals, sie wolle mich provozieren und fragte frech: „Sind denn die Pobacken bedeckt?“ „Aber natürlich“, sagte sie und da bemerkte ich, dass es sich um eine ernste Frage handelte. Ich bat dann nur darum, dass bei Kundenbesuch keine Hotpants getragen werden. 2016 hatten wir dann den ersten Praktikanten mit Zopf und ab 2020 wurden Pudelmützen auch im Büro getragen. Wir Geschäftsführer ließen die Krawatten im Schrank hängen und ich habe heute im Büro ein Jacket für den Notfall hängen; getragen habe ich schon länger keins.

Das Jacket hängt einsam an der Garderobe falls überraschend ein Kunde auftaucht.

Haltung, bitte!

Andreas Öhler, Mitglied der Chefredaktion von Christ und Welt sieht das ganz anders. Er trägt immer Dreiteiler. Weil er findet, dass man gerade in Krisenzeiten nicht alle zivilisatorischen Errungenschaften über Bord werfen sollte. Stil (nicht das Ende des Besens!) sei nicht wetterabhängig und gerade in warmen Ländern wie Spanien, Italien oder Frankreich seien die Herren und Damen in den Büros in edles Tuch gehüllt. Öhler möchte nicht jeden Tag die ambitionierten Tattoos der Kollegenschaft sehen und fürchtet die ungehemmte Lockerung des Umgangs, wie beim Duzen. »Ein Büro ist ein komplexes Gebilde, mit einer Feinmechanik an Signalen und Codes, die auch über die Bekleidung vermittelt werden.«
Mehr dazu gibt es hier zu lesen

Winterbüromode 2022

Apropos Pudelmützen. Die könnten im Winter 2022 wiederkommen. Die Büros werden wohl nur bis 18 Grad beheizt. Da braucht es dicke Pullover, Pulswärmer, Mützen. Mal sehen, was da noch so modisch auf uns zukommt.
Aber es gibt auch Dinge, die sich nicht durchsetzten. Der oben genannte Lars Eidinger trug 2021 bei den Salzburger Festspielen einen Rock?!

to be continued

Thorsten Windus-Dörr

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