#Archiv: Wie aus dem 01. Mai der „Tag der Arbeit“ wurde

(Lesezeit: 8 Minuten) Jedes Jahr am 01. Mai feiern wir den „Tag der Arbeit“, 2021 fällt er auch noch auf einen Samstag. An diesem Tag, der in Deutschland als gesetzlicher Feiertag gilt, gehen die Menschen auf die Straße um für die Rechte von Arbeitern und Arbeiterinnen einzutreten. Gewerkschaften rufen jährlich zu Kundgebungen auf, die meisten Arbeitnehmer in Deutschland haben frei und auch die Schulen bleiben geschlossen.

So viel zur Theorie.

In der heutigen Zeit scheint der Tag der Arbeit jedoch viel von seiner ursprünglichen Bedeutung eingebüßt zu haben. Nicht viele Menschen wissen über die Hintergründe dieses Tages Bescheid und sehen ihn eher als willkommenen arbeitsfreien Tag an. Doch was hat es mit diesem Feiertag auf sich? Wie kam es eigentlich dazu, dass wir jährlich wiederkehrend den 01. Mai als „Tag der Arbeit“ begehen? Wofür steht er?
Antworten auf diese und viele weitere Fragen rund um den 01. Mai haben wir hier für euch kurz zusammengefasst.

Warum feiern wir den „Tag der Arbeit“?

Die Arbeitsbedingungen, die wir heute für selbstverständlich halten, sind in Wahrheit gar nicht so selbstverständlich, sondern mussten hart erkämpft werden. Dazu zählen ein 8-Stunden-Arbeitstag, Arbeitnehmerrechte, Urlaub sowie dazugehöriges Urlaubsgeld, angemessener Lohn für verrichtete Arbeit und Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall. Vor über hundert Jahren sind die Menschen dafür auf die Straßen gegangen und haben für ihre Rechte gekämpft.

Ende des 19. Jahrhunderts arbeiteten die Menschen in den Fabriken der USA unter sehr schlechten Bedingungen. Körperliche Schwerstarbeit und eine dauerhafte Gefährdung der Gesundheit standen an der Tagesordnung. Sie hatten kaum Rechte und arbeiteten meist 10 oder mehr Stunden am Tag unter schwersten Bedingungen für einen sehr geringen Lohn und ohne ausreichende Sicherheitsvorkehrungen, auch im Krankheitsfall. Denn eine „Lohnfortzahlung“, wie wir sie heute kennen, gab es damals nicht, ebenso wenig wie Urlaub und Urlaubsgeld. Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, dass Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen, kürzeren Arbeitstagen und höheren Löhnen laut wurden.

So kam es, dass am 01. Mai 1886 die Handels- und Arbeitergewerkschaften in den USA zu einem mehrtägigen Generalstreik aufriefen, an dem sich mehr als 340.000 Arbeiter beteiligten, indem sie ihre Arbeit niederlegten und auf der Straße demonstrierten. Mit mehr als 90.000 Menschen fand der größte Streik in Chicago statt, bei dem es nach wenigen Tagen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und der Polizei kam, bei denen viele Menschen ihr Leben lassen mussten. Der Maifeiertag soll an den großen Protest in Chicago erinnern. Unter dem Begriff „Haymarket Rio“ geht das Ereignis von Chicago in die Geschichtsbücher ein und wirft bis heute seinen Schatten auf die Arbeiterbewegung.

Wie kam es, dass der Tag der Arbeit auf den 01. Mai fällt?

Dass der Tag der Arbeit auf den 01. Mai fällt ist kein reiner Zufall. Traditionell liefen in den USA genau an diesem Tag die alten Arbeitsverträge aus und Neue wurden geschlossen. Verbunden war dies meist mit einem Arbeitsplatz- und Wohnortwechsel. Die Forderung aus dem mehrtägigen Generalstreik, der 8-Stunden-Arbeitstag, sollte gleich in die neu geschlossenen Verträge mitaufgenommen werden. In den USA wurde dieser Tag traditionell als „Moving Day“ bezeichnet.

Geschichtliche Entwicklung des Maifeiertages

Um einen Überblick darüber zu bekommen, wie sich der 01. Mai im Laufe der Zeit entwickelt hat, findet ihr hier die wichtigsten Punkte in der Geschichte des Maifeiertages auf einen Blick:

1889 – internationaler Arbeiterkongress in Paris setzte den Beschluss eines weltweiten Streiks der Arbeiter am 01. Mai 1890 fest, das Datum soll an den Protest vom 01.Mai 1886 in den USA erinnern

Ab 1890 – erster „Tag der Arbeit“ am 01. Mai 1890 unter dem Motto „Kampftag der Arbeiterschaft“, in Deutschland kam es zu Streiks, Demonstrationen und sogenannten Maispaziergängen, rund 100.000 Arbeiter und Arbeiterinnen beteiligten sich an den Aktionen

Oktober 1980 – auf Beschluss der SPD wird der 01. Mai zum Tag der Arbeiterbewegung erklärt, der 01. Mai entwickelt sich zum Symboltag des Klassenkampfes, in der Folge kam es jährlich zu Streiks und Demonstrationen, auf die Arbeitgeber mit Aussperrungen und Entlassungen reagierten

Weimarer Republik 1919 – erstmalige Reduzierung der Arbeitszeit auf acht Stunden pro Tag (eingeführt vom Rat der Volksbeauftragten bestehend aus SPD und USPD), der 01. Mai wird auf den Beschluss der Weimarer Nationalversammlung einmalig zum deutschlandweiten gesetzlichen Feiertag erklärt

Unstimmigkeiten, wie der Tag begangen werden sollte, führten jedoch dazu, dass der Tag nach diesem Jahr nur in wenigen Ländern, darunter Braunschweig, Lübeck und Sachsen, beibehalten wurde.

1924 –Verbot von Demonstrationen unter freiem Himmel

Blutmai 1929 – Konflikte zwischen der SPD und KPD führten zu schweren Unruhen und gewaltsamen Ausschreitungen zwischen KPD-Demonstranten und der Polizei, bei denen auch zahlreiche Zivilisten ihr Leben lassen mussten, in diesem Jahr steht der 01. Mai symbolisch für die tiefe Zerrissenheit der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik

1933/34 – als „Tag der nationalen Arbeit“ gilt der 01. Mai als staatlich verordneter Feiertag, den die Nationalsozialisten zu eigenen Propagandazwecken genutzt haben, um unter anderem die Gewerkschaften zu entmachten und die Arbeiterbewegung für sich einzunehmen, so gab es an diesem Tag organisierte Aufmärsche und Paraden

Umbenennung des 01. Mai 1934 zum „Nationalen Feiertag des deutschen Volkes“

1946 – der 01. Mai wurde im April 1946 vom Alliierten Kontrollrat offiziell als Feiertag bestätigt, Maikundgebungen konnten jedoch nur eingeschränkt stattfinden

In den folgenden Jahren entwickelten sich die Feierlichkeiten zum 01. Mai in der DDR und BRD sehr unterschiedlich.

DDR: als „Internationaler Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus“ wurde der 01. Mai staatlich organisiert und mit militärischen Paraden inszeniert, an denen alle Bürger teilzunehmen hatten

BRD: im Westen hingegen nutzten die Gewerkschaften den Tag für politische Kundgebungen, die sie mit kulturellen Veranstaltungen kombinierten

Ab 1980 – neben organisierten Demonstrationen mit gewerkschaftlichem und/oder politischem Hintergrund, kam es gerade in Großstädten, wie Hamburg und Berlin, immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen autonomen Gruppierungen und der Polizei

Seit 2001 – gibt es jedes Jahr traditionelle Feierlichkeiten und Demonstrationen, zusätzlich dazu wurde 2001 der internationale EuroMayDay eingeführt

Doch der 01. Mai hat noch viel mehr zu bieten als nur Krawalle und Proteste. Vielerorts wird der 01. Mai auch mit traditionellen Bräuchen begangen und gilt als Tag der traditionellen Frühlingsfeiern. Kaum ein Monat wird mit so vielen regional unterschiedlichen Traditionen gefeiert wie der Monat Mai. Zu den bekanntesten Bräuchen zählen unter anderem das Aufstellen des Maibaums, der Tanz in den Mai und viele weitere. Doch trotz allem sollten wir die eigentliche Bedeutung dieses Feiertages nicht vernachlässigen. Ein Tag zum Gedenken an die Menschen, die ihr Leben für bessere Arbeitsbedingungen aufs Spiel gesetzt haben und deren Mut bewies, dass es sich lohnt für seine Rechte zu kämpfen.

Michelle Drescher (md)

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