#Archiv: Brauchen wir ein neues Öko-Bewusstsein? Das Cradle-to-Cradle-Konzept von Michael Braungart

In einem aktuellen Interview mit dem Flensburger Tageblatt äußert sich Michael Braungart zu den Grünen, Greta, Habeck und vielem mehr. Aber wer ist Michael Braungart eigentlich? Und was ist sein “Cradle-to-cradle-Prinzip”? Ein Blogpost aus dem Jahr 2016 macht es klar.

Ich sitze an meinem Schreibtisch. Ein Gespräch über das Cradle-to-Cradle-Konzept von Michael Braungart kommt ins Rollen. Herr Windus-Dörr kommt mit einem netten Buch um die Ecke, welches ich mir mal anschauen solle. „Schreiben Sie darüber doch mal einen Blogpost.“ – Na gut. Gesagt, getan. Viel wusste ich wirklich nicht über das Thema und ebenso wenig über das Buch. Doch nachdem ich die ersten Seiten gelesen hatte, fiel es mir schwer, es wieder wegzulegen. Es regt zum Nachdenken und Hinterfragen an. Die tägliche Praxis wird gekonnt in seine Einzelteile zerlegt. Es klingt so simpel und einleuchtend. Ständig schwirrten mir die Fragen „Wieso ist da vorher niemand drauf gekommen?“ und „Aber warum macht das denn niemand?“ durch den Kopf. Also interviewte ich Herrn Windus-Dörr, stellte ihm Fragen zum Vortrag und wähnte mich in Sicherheit. Doch plötzlich kam die Gegenfrage…

Cradle_to_cradle

„Intelligente Verschwendung“ – So lautet der einprägsame Titel dieses Buches, das Chemiker und Geschäftsmann Michael Braungart über die Ländergrenzen hinweg bekannt gemacht hat und sogar den ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton zum Verfassen eines Vorwortes anspornte. Sein Cradle-to-Cradle-Konzept basiert auf einer einfachen Idee: Es gibt keinen Müll, sondern nur Nährstoffe. Ein Konzept, das sich die aus der Natur bekannten Vorgänge zum Vorbild macht. Industriekreisläufe müssten deutlich mehr durch das Upcycling, weniger durch das Downcycling bestimmt werden. Aus jedem Produkt könne etwas Neues und vor allem Dauerhaftes entstehen, wodurch der (unendliche) Prozess automatisch über das Recyceln hinausgehe. Begriffe wie „Lebensdauer“ oder „Lebenszyklus“ eines Produktes lassen dem Autor einen kalten Schauer über den Rücken laufen, da sie die moderne Überfluss- und Wegwerfgesellschaft versinnbildlichen würden. Um sein angestrebtes Ziel zu erreichen, setzt der Autor auf die Verwendung von unbedenklichen und klimafreundlichen Stoffen. Ein Jeder müsse sich bewusst machen, dass er keinen Mülleimer besitze, sondern ein Zwischenlager für Nährstoffe, das ungeahntes Potential biete.

Verantwortlich für die Misere macht er ein Designproblem: Wenn man sich von Anfang an darüber im Klaren sei, was man auf welche Art und Weise produziere, dann gebe es das Problem der Umweltverschmutzung nicht. Ein hausgemachtes Problem also. Dinge werden heutzutage oft nur für den Erstgebrauch entworfen. Was langfristig damit geschieht, ja, das weiß meist niemand.

Wesentlich besser als ich es als Laie jemals könnte, kann das natürlich der Autor selbst vermitteln. Daher nachfolgend ein kleiner Einblick in seinen Vortrag, den er 2015 beim Entrepreneurship Summit in Berlin gehalten hat:

Thorsten Windus-Dörr, Agenturchef von Eins a Kommunikation, besuchte einen Vortrag von Michael Braungart in Braunschweig und berichtet von seinen Eindrücken.

Anika Zapfe: Wie haben Sie von Braungart erfahren und wie sind Sie auf sein Cradle-to-Cradle-Konzept gestoßen?

Thorsten Windus-Dörr: Michael Braungart kenne ich schon ganz lange, noch aus der Zeit, als seine Frau Monika Griefahn in den späten 80er Jahren die erste niedersächsische Umweltministerin war. Er war immer derjenige weiter im Hintergrund, der schlaue Sachen absonderte. Dadurch ist er mir im Gedächtnis geblieben. Dann habe ich ihn auf CNN in einer Sendung gesehen. Da sagte ich mir: Der ist witzig und unheimlich unterhaltsam. Schließlich habe ich vor drei Wochen auf der Webseite unseres Kunden BS|Energy gesehen, dass die einen Vortrag mit ihm sponsern.

“Er hat für alles eine Zahl parat. Zahlen, Daten, Fakten!”

Anika Zapfe: Was hat Ihnen besonders an dem Vortrag gefallen?

Thorsten Windus-Dörr:
Eigentlich sollte der Vortrag 45 Minuten gehen, er hat daraus 90 Minuten gemacht. Er ist ein Mäandertaler (lacht). Er erzählt, springt zu einem anderen Thema, macht einen Einwurf, erzählt eine Geschichte, dann wieder eine Anekdote, kommt dann wieder zum Thema zurück, führt auch keine Sache so richtig zu Ende, aber es ist unheimlich spannend und es macht Spaß, da zuzuhören. Er provoziert unheimlich. „Wissen Sie eigentlich, dass in Braunschweig und Hannover mittlerweile mehr Windeln für Erwachsene kompostiert werden als für Babys?“ Da überlegt man erst einmal, was will er uns jetzt damit sagen. Aber klar, die Gesellschaft altert und er belegt das dann an der Menge weggeworfener Windeln. Überhaupt hat er für alles eine Zahl parat. Zahlen, Daten, Fakten. Ich bin mir nicht sicher, ob die immer stimmen (lacht), aber auf jeden Fall hat er sie immer parat. Von daher: unheimlich unterhaltsam und unheimlich provokativ.

“Braungart sollte man mal gesehen haben!”

Anika Zapfe: Können Sie den Vortrag jedem empfehlen?

Thorsten Windus-Dörr: Unbedingt! Braungart sollte man mal gesehen haben. Wenn sie erfahren sollten, dass er irgendwo was erzählt, dann gehen Sie dahin! Aber jetzt eine Gegenfrage: Braungart vertritt ja eine ganz eigene Form von Nachhaltigkeit. Was bedeutet Nachhaltigkeit denn für Sie?

Anika Zapfe: (Überlegt) Ich persönlich halte das Thema Nachhaltigkeit für immens wichtig. Nicht nur ich möchte auf dieser Welt leben, sondern auch noch meine Kinder. Und deren Kinder. Jeder sollte sich die Frage stellen, ob er seinen Nachfahren eine Welt hinterlassen möchte, in der kein Stein mehr auf den anderen passt. Sind die Gesundheit und die Natur tatsächlich so unwichtig geworden, dass man sich nicht mit den Konsequenzen der Umweltschädigung auseinandersetzt? Oder sind es lediglich das Profitdenken und der eigene Nutzen, die den Weg für eine nachhaltige, klimafreundliche Grundeinstellung versperren? Ein bisschen mehr Verantwortungsbewusstsein darf‘s schon sein, finde ich.

Thorsten Windus-Dörr: Wissen Sie, was Braungart jetzt dazu sagen würde? „Nicht von der Welt der Kinder reden, sondern machen! Jetzt!“ Wie er. Das meine ich: Er ist sehr provozierend, sehr verstörend. Aber es lohnt sich, sich mit seinen Thesen zu beschäftigen.

– Anika Zapfe (az)

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